Preise in sozialen Berufen – darf man die erhöhen?

Preise festlegen ist nicht einfach. In einem Money Intensive am Wochenende habe ich Susanne, eine Hebamme gecoacht. Überwiegend in einem Kreissaal angestellt, aber eben auch in der Nachsorge nach der Geburt tätig. Sie kam im klassischen Sich-Beklagenden-Modus. Die finanziellen Sorgen von Hebammen sind ja auch hinlänglich bekannt. Die Haftpflichtversicherung für Hebammen ist teuer, die Krankenkassen zahlen nicht besonders gut und viele Schwangere suchen händeringend nach Hebammen. Bei vielen anderen Selbständigen berate ich, wie man mehr Kunden findet. Das ist hier gar nicht das Problem. Im Gegenteil, es gibt viel mehr als genug.

Während des Coachings (wir haben den ganzen Samstag ein Money Intensive durchgeführt) wurde sie mehrmals von einem frisch gebackenen Vater angerufen, der viele Fragen für seine Frau und das Kind hatte. Umfangreiche Fragen, viel mehr als eine Telefonberatung eigentlich leisten sollte. Zumal wenn jedes Telefonat bei der Krankenkasse mit 8,50 € abgerechnet werden kann und es eigentlich sowieso nicht richtig ist, weil nur mit der Mutter telefoniert werden kann.

Susanne kam zunächst ins Coaching mit dem Gedanken die Nachsorge ganz einzustellen, eben wegen der schlechten Rahmenbedingungen. Gerade bei nur geringen Nachsorgebetreuungen bliebe aufgrund der Versicherung wenig übrig. Ich habe dann gefragt, ob sie nicht die Preise erhöhen könne. Immerhin sei sie eine erfahrene Hebamme und es gäbe möglicherweise Menschen, die bereit seien, dafür etwas mehr zu bezahlen. „Das geht nicht!“ – war die spontane und inbrünstige Antwort. Nun kenne ich mich in der Praxis der Abrechnung nicht aus und musste erstmal nachfragen, ob die Krankenkassen dies grundsätzlich verbieten würden. Tun sie. Allerdings hat sie das gleich auch wieder eingeschränkt. Die Leistungen, die über die Krankenkasse abgerechnet werden können, die kann man nicht erhöhen. Sie konnte aber schon auf Anhieb eine ganze Batterie von Zusatzleistungen anbringen, die sie aktuell gar nicht abrechnet, weil es ihr Wissen als Heilpraktikerin betrifft und sie dies natürlich einbringt, wenn sie Frau und Kind irgendwie helfen kann. Sie kann dies aber nicht ordentlich abrechnen. Das findet halt so nebenbei statt.

Auswege waren also bekannt, aber es gab größere Hürden. Zunächst bekam ich etwas von Ethik der Hebammen zu hören. Man müsse schließlich allen werdenden Frauen helfen. Finde ich grundsätzlich auch gut, beißt sich dann aber mit der Überlegung, die ich vor 10 Minuten gehört habe, die Nachsorge ganz einzustellen, weil sie überlastet ist. Das hilft dann noch ein bis zwei Frauen weniger.

Der nächste Widerstand war ganz ähnlich. Sie meinte, dass müssten dann alle Hebammen aus ihrem losen Verbund machen. Weil sie alle Heilpraktikerinnen sind? Weil sie alle viel Erfahrung haben? Haben sie nicht, aber sie könne doch sowas nicht alleine einfach einführen. Das Moment der Zugehörigkeit, für Frauen einfach sehr wichtig. Bleiben wir lieber alle arm und gestresst, als möglicherweise einen Ausweg zu suchen und damit ein Vorbild zu sein.

Diese Einwände konnte Susanne ausgiebig ausbauen. Wenn es alle so machen würden, würde es keine Begleitung mehr von schwangeren Frauen mit wenig Geld geben. Das stimmt! Aber die gesetzlichen Leistungen, die eine Krankenkasse erstattet, haben nicht die Hebammen festgelegt. Der Hebammenmangel, der sich aus den ungünstigen Arbeitsbedingungen und letztlich der Bezahlung ergibt, ist ja nicht schuld der Hebamme. Hier ist die Politik gefordert, hier müssen Krankenkassen andere Zahlungen tätigen, damit junge Frauen den Hebammenberuf wieder mit Begeisterung erlernen.

Schauen wir grundsätzlich auf die Situation von werdenden Müttern: Ich finde es auch nicht toll, dass sich viele Familien keine ausreichend große Wohnungen leisten können, dass nicht jedes Kind in einem tollen Kinderwagenmodell durch die Stadt geschoben wird und das nicht jedes Kind bereits im Kindergarten Yogastunden bekommt und zusätzlich in Englisch betreut wird. Ja, es gibt Ungleichheit! Der Staat versucht diese auszugleichen und es entsteht in der Regel Druck, wenn man die Ungleichheit auch merkt und sie dann als gesellschaftlich nicht gewollt und damit ungerecht wahrnimmt. Dann reagiert Politik. Sie reagiert nicht, wenn alles läuft und nur die entsprechenden Personen – meistens Frauen – halt ein bisschen gestresst sind und kaum etwas für ihre verantwortungsvolle Arbeit bekommen. Dann passiert nichts. Es läuft ja.

Aber zurück zu Susanne und unserem Coaching – tiefer drin ging es wie immer um Wert. Um den eigenen Selbstwert und was wir besonders als Frauen gelernt haben, wie viel wir uns Wert sind. Wie viel wir Wert sein dürfen, wie viel wir stolz unseren Wert benennen und einfordern dürfen. Auch in Abgrenzung zu anderen Frauen, aber auch solidarisch in dem Weg, auch anderen Frauen deutlich zu machen, dass sie ihren Wert in Rechnung stellen dürfen. Deshalb auch dieser Text. Um andere – ich glaube schwerpunktmäßig in den sozialen Berufen – zu ermuntern, nicht nur über Rahmenbedingungen zu meckern, sondern auch zu schauen, wie sich diese verändern lassen. Ja, auch durch Ungleichheit. Das mag nicht immer schön sein, aber so funktioniert gerade unser wirtschaftliches und politisches System. Es spricht nichts dagegen, dieses zu verändern. Im Gegenteil. Es ist mehr als überfällig. Aber Frauen ändern dies nicht, in dem sie die Missstände auf ihrem Rücken ausgleichen. Im Gegenteil – aber ich wiederhole mich – ich behaupte, damit werden sie eher stabilisiert.