Die Nachteile der finanziellen Freiheit

Viele Menschen träumen von der finanziellen Freiheit, ich hab sie inzwischen und will heute mal ein bisschen über die Nachteile von diesem Zustand berichten. Ich weiß, dass ist jammern auf hohem Niveau, dennoch erlebe ich einiges nicht ganz so positiv, wie ursprünglich erwartet und vielleicht ist das ja von Interesse auch für Euch.

Nur die hungrige Wölfin jagt

Ich bin freiberuflich unterwegs und muss mich immer wieder neu um Kunden bemühen. Wenn ich mit und für diese dann arbeite, dann macht mir das richtig viel Spaß, deshalb möchte ich meine Arbeit auch nicht aufgeben. Beratungen im Umweltbereich wie auch Yogastunden sind meine Leidenschaft. Damit diese “gebucht” werden, muss ich Akquise machen, bildlich gesprochen muss die Wölfin jagen gehen. Hungrig, also wenn man weiß, die Miete will bezahlt werden, ich will mir was schönes leisten etc. steckt da Energie dahinter. Mit dem Wissen, dass meine Lebenshaltungskosten eh gedeckt sind, erlebe ich mich als unglaublich träge, wenn es darum geht, meine Leistung anzupreisen, neue Kunden anzusprechen und letztlich mich zu verkaufen. Das Ganze billiger anzubieten, ist mindestens in der Beratung übrigens auch kein Weg. Die Ergebnisse werden dann nicht ernst genommen und das fühlt sich erst richtig blöd an: wenn man Energie in die Sache steckt und die andere Seite diese dann versanden lässt, weil es ja nur mal so eine Idee war, die nichts gekostet hat. Ich bin also weiterhin relativ hochpreisig unterwegs, auch weil ich weiß, dass meine Arbeit Hand und Fuß hat.  Glücklicherweise gibt es einige Stammkunden, die mich eh fragen, wenn sie was brauchen. Viele neue Kunden sind in den letzten zwei Jahren allerdings nicht dazugekommen.

Nie wieder über Geldmangel klagen – das macht ganz schön einsam

Mir war dies nicht klar, bis ich angefangen habe, darauf zu achten und nicht verlogen einzusteigen: Auf Gespräche, in denen fast die ganze Runde klagt, kein Geld zu haben. Ich hab genug Geld, wahrscheinlich mehr als ich in meinem Leben ausgeben kann. Da kann ich in einer solchen Runde nur schweigen. Alle Outings gehen gnadenlos schief: Mir werden Kontoverbindungen angeboten, an die ich mein Geld überweisen soll, ich werde abgewertet oder einfach ignoriert. Ich kann das sogar ein bisschen verstehen. Ich durchbreche hier eine gemeinsame Logik und ein Gefühl von Zugehörigkeit, in der Runde der kleinen Leute, die immer kein Geld haben. Nun wirst Du mir vielleicht raten, andere Freunde zu suchen. Erstens finde ich es schwierig, gute Freundschaften, die sich über Jahre entwickelt haben, nur wegen des Geldes in den Wind zu schiessen. Darüberhinaus hat sich das bisher auch nicht als ganz einfach dargestellt, mal eben so neue Freunde zu finden, die Geld haben, aber damit relativ entspannt und ohne viel Statusgedöns umgehen.

Selbst spenden ist nicht einfach

Ich arbeite in meinem Stadtteil bei einer Stiftung mit und gebe in diesem Rahmen Kindern kostenlos Yogastunden. In der Runde, in der wir die Angebote für die Kinder planen, habe ich mich lange unter Gleichen gefühlt. Eine Runde von Menschen, die ihre Fähigkeiten für das Wohl von benachteiligten Kindern einsetzen. Dann habe ich für die Stiftung gestiftet. 500,- € – also jetzt auch nicht die Welt. Seitdem wird durch die Leiterin bei jedem zweiten Treffen hervorgehoben, dass ich ja auch Stifterin bin. Ich hätte anonym stiften sollen, dann blieb mir dieser Status des Besonderen erspart.

Von anderen Vereinen sammeln sich bei mir die Informationshefte, Adressaufkleber und Weihnachtskarten. Natürlich kann ich verstehen, dass jeder einzelne Verein mich immer wieder für seine Sache überzeugen will und deshalb auch immer wieder auf sich aufmerksam macht. In der Summe ist es auf dem Schreibtisch aber manchmal ganz schön anstregend.

Und dann sind da noch die neuen “Freunde”

Natürlich gibt es Menschen, die sich mit einem über Geldanlagen unterhalten. Manchmal ist das richtig nett. Trotzdem bin ich immer gespannt auf den Punkt, wenn mir ein bestimmter Fonds oder sonstwas vorgeschlagen wird. Was natürlich günstig über den neuen Freund erworben werden kann. Grrr – ich kann mein Geld selber anlegen und ich tausche mich trotzdem gerne aus. Ich habe sogar das Gefühl, dass auch ich inzwischen Tipps geben kann. Wir hätten hier also eigentlich eine faire, normale Gesprächssituation. Manchmal – besonders unter Bloggerkollegen – klappt das auch gut. Und manchmal könnte ich nur in die Tischkante beissen….

Mein Fazit

Ich begreife mich noch auf der Suche und bin noch lange nicht in einem Leben ohne Erwerbsarbeit zum Broterwerb angekommen. Dazu gibt es zu wenig Vorbilder, an denen ich mich orientieren könnte. Dazu ist wahrscheinlich auch unser Drill und unser Fokus auf Erwerbsarbeit als maßgeblicher Sinn im Leben viel zu groß.

Ich habe das Privileg neue Wege zu gehen. Die unbekannt sind und bei denen mir niemand sagen kann, wo sie enden. Es bleibt aufregend und ich will bei allen geschilderten Nachteilen nicht vergessen zu sagen, dass ich unglaublich dankbar bin, diese interessante Entdeckungsreise machen zu dürfen.

15 Kommentare
Ex-Studentin

Ich bin zwar keine Millionärin, aber ich kann gut verstehen, dass es nicht leicht ist, wenn man sich auf finanzieller Sicht von anderen abhebt. Es gibt genug Leute, die mit einem niedrigen Gehalt auskommen müssen, sodass Geld nur Neid hervor hebt. Wenn jemand bei “Wer wird Millionär sitzt”: Wem gönnt man das Geld mehr: Einer Alleinerziehenden/einem Studenten, die schon die 32.000€ dankbar annehmen oder einem Gutverdiener, der selbst bei 125.000€ noch zockt, weil es für ihn nun nicht das große Geld ist? Weniger betuchte Menschen gönnen niemanden das große Geld, der es nicht zu schätzen weiß und sich nicht für das Leid anderer Leute interessiert. Großes Lob an dich, dass du so bodenständig geblieben bist.

tentor

Das Problem bei Geldsorgen nicht mitreden zu können hatte ich schon bevor ich überhaupt angefangen habe zu investieren. Die anderen Punkte, finde ich aber, sind sehr interessante Einblicke.

Covacoro

Sehr interessanter Beitrag !
Wollte einfach mal danke sagen und einen schönen Advent wünschen.

Benjamin

Ein interessanter Beitrag.
Ich habe das gleiche “Problem” wie Tentor, allerdings beteilige ich mich an dem allgemeinen Klagen, denn ich habe mein Ziel noch nicht erreicht und mehr Geld ist nicht verkehrt. 🙂

Frohe Weihnachten!

Marianne

Hi, ich bin ja sehr erstaunt, dass es auch Nachteile gibt. Danke für den Einblick, damit hätte ich nicht gerechnet. Aber sie sind alle irgendwie plausibel.

Monika

Hallo, selbst auf dem Weg zur finanziellen Freiheit ist man immer irgendwelchen Aussagen ausgesetzt. Mein Mann und ich planen den Kauf eines Hauses oder einer ETW zur Vermietung. Es ergab sich, dass das Haus einer guten Bekannten zu verkaufen ist. Nunja, wir haben es nicht bekommen. Weil wir “doch schon ein Haus haben” und sie “nicht versteht sie wir uns das leisten können” es “ist ihr zu unsicher” Wir müssen dafür eine Finanzierung aufnehmen, aber haben uns das alles durchgerechnet, dies habe ich erwähnt und trotzdem bekommt man solche Sprüche.
Ich verstehe dich sehr gut.

reichplanung

Hallo Monika,

besonders der Teil über Neid gefällt mir und wer neidig ist, hat einfach noch nie hart genug gearbeitet. Mitleid gibt es umsonst. 😉
Ich habe schon einmal aufgehört zu arbeiten und wurde nur gefragt, wo ich mich bewerbe. Ich ich geantwortet habe nirgends war das Thema immer durch. Als der Vertrag eines Vorstands mal nicht verlängert wurde habe ich diesen gefragt, ob er mit 50+ überhaupt noch arbeiten wolle. Er hat gesagt, dass ich der einzige sei, der dies überhaupt in Betracht gezogen hat. So ist die Welt und die wenigstens können eben über ihren eigenen Horizont hinaus denken.

Das Du nicht mehr hungrig bist, finde ich übrigens keinen Nachteil. Vielleicht gibt es noch etwas anderes, in das Du Dich voll reinhängen könntest, um Freude daraus zu ziehen. Suche, es gibt so viel zu entdecken! Und wenn Du Deinen Hunger wiederentdeckst, auch ohne finanziellen Hintergedanken, dann hast Du es gefunden.

Grüße, Alex

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