Gerne beteilige ich mich an der Challenge von Edda von Töfte Texte zum Thema beruflicher Quereinstieg. Erst habe ich mich als Coach angesprochen gefühlt, dann aber auch schnell als Person.
Ich bin Diplom-Ingenieurin und habe in meinem studierten, diplomierten Beruf nie gearbeitet. Stattdessen bin ich immer da eingestiegen, wo sich für mich spannenden Gelegenheiten aufgetan haben. Dabei haben mir die Menschen oft mehr zugetraut als ich mir selber.
Geholfen hat mir in Zeiten der anfänglichen Unsicherheit der Satz: So tun als ob. So habe ich getan, als ob ich schon eine erfolgreiche Geschäftsführerin sei, hab getan, als ob ich einen Verlag leiten könnte und als Coach haben die ersten Coachees auch eine Coach erlebt, die erstmal so getan hat, als ob.
Ob es jemand gemerkt hat, weiß ich nicht. Natürlich sind mir in der ersten Orientierungsphase Fehler unterlaufen. Später auch. Aber die ersten Fehler waren Anfängerfehler und die passieren nun mal. Ich bin an ihnen gewachsen. Mit jedem Tun besser geworden. Mit jedem Tag mehr Erfahrung wurde der Satz "So tun als ob" kleiner. Ich tue nicht mehr nur so als ob, ich weiß jetzt was ich tue. Tatsächlich glaube ich, dass ich gerade in den Anstellungen von Anfang an relativ professionell wahrgenommen wurde. Das liegt an den unterschiedlichen Brillen, mit denen ich mich selbst und andere mich betrachtet haben. Ich selbst und besonders die kleine Gisela in mir, hat gestaunt über diesen Schritt, den sie da gerade beruflich weitergegangen ist. Verbunden mit reichlich Zweifel, ob man diesem Schritt gerecht wird. Meine neuen Mitarbeiterinnen, die Kollegen und auch die Vorstände, die mich eingestellt haben, haben natürlich eher die professionelle Person in mir sehen wollen. Die hatten die kleine Gisela ja noch gar nicht kennengelernt, die meisten haben nie Bekanntschaft mit ihr gemacht. Weshalb hätten sie zweifeln sollen?
Ich schreibe das hier so drastisch, um deutlich zu machen, dass wir gerade bei einem Quereinstieg gut daran tun, nicht so viel an uns zu zweifeln. Und bei Unsicherheit auf die Strategie des So tun als ob zurückgreifen. Mit der Sicherheit oder wenigstens hohen Wahrscheinlichkeit, dass die Anderen das nicht merken werden. Weil sie es nicht merken wollen. Und weil der Quereinstieg bei mir zum Teil auch einfach eine gewisse Narrenfreiheit oder offenere Orientierung mitgebracht hat. Am stärksten habe ich dies gemerkt, als ich Geschäftsführerin einer Verlags-GmbH wurde. Erst mit einer Weiterbildung bei der IHK wurde mir so richtig klar, welche Rechten und Pflichten ich da eingegangen bin. War aber nicht so schlimm. Erstens wussten das viele andere auch nicht und zweitens haben mich die, die es wussten, gerne aufgeklärt. Weil sie ja wussten, dass ich Quereinsteigerin bin. Außerdem war ich mir nie zu schade zu fragen und Wissenslücken zuzugeben. Ich finde, ein echtes gutes Privileg der Quereinsteigerinnen.
Es sei denn, da war jemand scharf auf unsere Stelle und ist nun neidisch. Diese Situation hatte ich bei meinen ganzen Quereinstiegen nicht. Aber diese Situation hat dann nichts mit Quereinstieg oder geradem Einstieg zu tun. Sie hat auch meist wenig mit Kompetenz und Wissen, sondern einfach nur mit Konkurrenz zu tun. Sprich: Selbst wenn Du genau weißt, was Du tust, kann Dir jemand in dieser Situation das Leben sehr schwer machen. Gerne gehe ich in einem anderen Artikel nochmal auf eine solche Situation ein, ich habe sie selbst glücklicherweise nie erlebt, kenne das Setting aber aus meinen Coachings zu Genüge.
Warum mich Quereinstiege immer wieder gereizt haben?
Ich mag immer wieder neue Sachen machen und neue Gelegenheiten reizen mich. Außerdem habe ich in meinem angestellten Leben nach etwa 4 Jahren spätestens das Gefühl gehabt, alles erreicht zu haben, was ich auf dieser Stelle erreichen kann. Jetzt als Freiberuflerin ist das anders. Ich habe immer wieder mit neuen Kunden und neuen Herausforderungen zu tun, obwohl ich bereits seit 10 Jahren freiberuflich tätig bin. Das ist phänomenal lang für meine berufliche Laufbahn. Aber gefühlt wechsle ich alle zwei bis drei Jahre die Schwerpunkt. Oder es kommen neue hinzu. Also nix 10 Jahre dasselbe.
Seit etwa 4 Jahren arbeite ich viel mit Geldthemen. Das ist eher zufällig entstanden und am Anfang hatte ich das Gefühl, ich kann dazu doch eigentlich wenig Sinniges sagen. Klassische Frauengedanken. Kennt ihr, oder? Bis ich gemerkt habe, wie viel mehr ich sagen kann, als Andere. Weil ich mir nebenbei ein kleines Vermögen aufgebaut habe. Weil ich mich schon immer gerne mit Geldthemen beschäftigt habe. Weil ich weiß, wie ich Geld in Aktien anlege und wie ich eine Immobilie bewerte. Natürlich passieren mir da auch Fehlgriffe. Wie allen anderen auch. Energie in diesen Themeneinstieg haben aber die Frauen gebracht, die so gar nicht getan haben als ob. Die beim Thema Geld in Gründungs- oder sonstigen Coachings einfach gleich dicht gemacht haben und das Thema kategorisch wegdelegiert haben. Es nicht mal versucht haben, sich für Geld zu interessieren. Die haben mich wütend gemacht. Wenn also andere Frauen so gar nichts machen und wissen wollen, ja dann weiß ich plötzlich viel und habe eben auch schon viel gemacht. Nur wenn ich anfange, mich mit anderen Geldberaterinnen zu vergleichen, dann muss ich wieder so tun als ob. Mit denen, die jahrelang in einer Bank gearbeitet haben. Mit denen, die vermeintlich genau wissen und gelernt haben, wie es läuft. Eben denen, die einen relativ geraden Karriereverlauf gewählt haben. Die meisten reden dabei selten über ihre eigene Praxiserfahrung mit Geld. Über die rede ich gerne. Eben weil ich bei der Theorie gefehlt habe. Quereinstieg eben. Ich kenne nicht alle Finanzprodukte, aber ich kann erzählen, welche bei mir richtig gut funktioniert haben. Ich versuche immer weniger mich zu vergleichen. Mit meinem Quereinstieg bringe ich andere Kompetenzen mit, der gerade Ausbildungsweg hat andere. Beide sind wertvoll, beide haben ihre Berechtigung und beide finden ihre Zielgruppe.
Gerade beschäftige ich mich mit einem neuen Thema: Dem erben und davon betroffene Erbinnen. Dabei ist mir dann was spannendes aufgefallen. In dem Bereich tummeln sich wenige Mitbewerberinnen. Eigentlich hätte ich jubeln können, aber irgendwie fehlt auch was, wenn da kaum andere sind. Ich glaube, es ist die Orientierung. Und die Sicherheit, dass es hier auch eine Nachfrage gibt. Vielleicht liege ich mit meinem neuen Thema falsch, wenn nicht, bin ich eine der Ersten im deutschsprachigen Raum. Auch mal eine neue Erfahrung. Und vielleicht scheitere ich sang- und klanglos. Weil es eben keine Nachfrage nach Coachings für Erbinnen gibt, die nicht Streit schlichten wollen, sondern nach emotionaler Klarheit suchen. Dann ist das auch eine Erfahrung. Und es wird wieder was Neues kommen. Ich würde es nicht mal als Scheitern wahrnehmen.
Ich kann Quereinstiege nur empfehlen
Grundsätzlich glaube ich, dass es Quereinstiege sowieso nur gibt, weil wir so eine komische Ausbildungsfokussierung in Deutschland haben. Anstatt davon auszugehen, dass jemand gut sein wird, wenn er das macht, was er wirklich tun will, schauen wir auf vergangene Ausbildungen und Qualifizierungen, die wenig darüber aussagen, ob die Person richtig brennt für das, was da gerade an Herausforderungen ansteht.
Für mich sind Quereinstiege und der damit verbundene Neubeginn spannend, weil ich dabei immer wieder neue Menschen, Themen und Tätigkeiten kennenlerne. Es ist eine stetige Weiterentwicklung und gerade die Dinge, die man vorher so gar nicht gekannt hat, sind doch hochinteressant.
Was dabei hilft, ist auf der einen Seite eine gesunde Neugier, das besagte So tun als ob und eine reduzierte Vergleichsbereitschaft. Reduziert, weil es natürlich schon Sinn macht zu schauen, was die netten Mitbewerberinnen so machen. Aber eben nicht, um sich dauernd zu vergleichen und um sich dann als Quereinsteigerin klein zu fühlen. Weil die anderen ja viel besser passen. Sondern eher, um zu entdecken, was die eigene besondere Duftmarke ist.
Scheitern gibt es für mich nicht wirklich. Es gibt Neuorientierungen und neue Chancen und das Wissen, das etwas Vergangenes nicht so gut funktioniert hat. Ob ich dem die Bewertung des Scheiterns gebe, dass entscheide ich ganz alleine. Ich mache es immer seltener.
Aktuell glaube ich nicht, dass ich nochmal in eine Anstellung quer einsteige. Aber ich bin sicher, dass sich in meiner Freiberuflichkeit immer wieder neue Einstiegsmöglichkeiten ergeben. Die neu sind, die quer sind, die sich erst auf den zweiten Blick erschließen. Ich bin gespannt was da noch kommt.
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